10. August – 8. September 2024
Designhaus Darmstadt
Eröffnung: Freitag, 9. August 2024, 19 Uhr
Mit einer Einführung von Dr. Roland Held
Special Guests: Ariana Harmony und Koko von der Line
Im Rahmenprogramm:Konzert mit dem „Trio Casa Mañana"
Donnerstag, 5. September, 20 Uhr
– Marie Takahashi, Viola
– Olaf Rupp, Gitarre
– Alexander Frangenheim, Kontrabass
Öffnungszeiten:
Fr 15 – 20 Uhr, Sa + So 13 – 18 Uhr
Eintritt frei
Eine Ausstellung der Darmstädter Sezession
www.darmstaedtersezession.net
Designhaus Darmstadt
Eugen-Bracht-Weg 6
64287 Darmstadt
Ich werde Ihnen so schnell wie möglich antworten.
Susanne Ritter
Pfälzische Sezession
Deutscher Künstlerbund
Städtische Galerie Schloß Oberhausen
Albrecht-Dürer-Gesellschaft
Galerie Apex Göttingen
Städtische Galerie im Buntentor
Landesmuseum Mainz
Kunsthalle Gießen
Centre de la Paix, Verdun
Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken
Concours de Portrait, Académie des Beaux Arts, Paris
Realismus-Galerie, Fuldatal
Kunstverein Bad Salzdetfurth
Kunstverein Bautzen
Neuer Sächsischer Kunstverein, Pulsnitz
"Kunst in den Gewölben", Kunstverein Germersheim
depot.K e.V., Kunstprojekt Freiburg
Susanne Ritter, Neue Bildnisse. EuroJustus von Liebig Verlag 2011. ISBN 978-3-87390-293-0
Susanne Ritter - Bildnisse. Bensheim, Düsseldorf, 1993
Realismus-Triennale. Künstlersonderbund in Deutschland. Berlin, 1993
Susanne Ritter - Zeichnungen. Saarbrücken, 1995
Realismus-Triennale. Künstlersonderbund in Deutschland. Berlin, 1996. ISBN 3894790768
Europa, besteige den Stier! Ausstellung im Kunstverein Bad Salzdetfurth. Bodenburg, 1998
Susanne Ritter - 24 Köpfe. Ausstellung im Kunstverein Bad Salzdetfurth. Bodenburg, 1999
Arche. Ausstellung im Kunstverein Bad Salzdetfurth. Bodenburg, 2000
Bocca della verità. Bodenburg, 2004. Ausstellung im Kunstverein Bad Salzdetfurth. ISBN 3-922805-84-1
Lend me your ear. Bodenburg, 2006. Ausstellung im Kunstverein Bad Salzdetfurth. ISBN 3-922805-90-6
Lieselotte Sauer-Kaulbach ist Kulturjournalistin und Autorin.
Olivier Schefer, Privatdozent für Ästhetik an der Universität Paris; arbeitet über die Philosophie und Ästhetik der Romantik; Übersetzer und Kommentator von Novalis; lebt in Paris.
Susanne Ritter malt Portraits junger Menschen in Über-Lebensgröße, die den Betrachter trotz einer dargestellten Distanz nachdrücklich angehen. Die Modelle spricht Frau Ritter auf der Straße an. Es scheint sich vor allem um jugendliche Menschen zu handeln. Dann fotografiert oder zeichnet sie sie, um dann im Atelier die Bildnisse zu fertigen, in Größen von etwa 100 x 100 cm.
Das Wort "altmeisterlich" wird heute gerne in dem Sinn verwendet, daß darunter eine besondere Güte einer traditionellen handwerklichen Fertigung verstanden wird. Man könnte aufgrund der Verwendung von Eitemperafarbe auf Leinwand vermuten, daß Frau Ritter sich solcher Techniken bedient, die über Jahrhunderte entwickelt und vielleicht schon wieder vergessen wurden. Handwerkliches Können würdigt nun als an sich schon positiv genug zu würdigender Wert die Arbeit. Allerdings würde das den Blick auf die Besonderheiten der Bildnisse verstellen.
Zu einem ersten und einzigen, etwas oberflächlichen Blick vermag das gleichbleibend große Format zu verführen. Genauso die Konzentration auf Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Oder die wiederkehrende Verwendung flächiger, im großen Maßstab unstrukturierter, bei genauerer Hinsicht vibrierender Hintergründe ohne Schatten- oder Requisitenspiel. Oder die Plättung modischer Accessoirs wie Kragen- oder Reversformen. Oder die Reduktion frisürlicher Volumina auf meist kurze Haarschnitte. Oder der Verzicht auf eine allzu barocke Schmucksprache oder die Zurücknahme bekannter markenbezogener Symbole.
Kühle Hintergründe überwiegen. Meistens sieht man die dargestellten Personen als Büsten oder Bruststücke, in Frontal- Viertel, Halb und Dreiviertelansichten, seltener als Profil. Vom Alltag her bekannte Mode verankert die Figuren in alltäglichen Lebenswelten. Bleiben in einer ersten Annäherung noch ähnliche Bildausschnitte, eine oft schattenfreie Ausleuchtung, auch von schräg frontal, eine hohe Gesamthelligkeit und eine geschlossene Kompaktheit der Darstellung vor den einheitlichen Hintergründen zu nennen.
Die Eindeutigkeit der Verhältnisse
Die Portraits von Frau Ritter sind eindeutig und fordern den feinsinnigen Betrachter offensiv zur Stellungnahme heraus, räumlich und gedanklich. Stellung zu Menschen, denen man im Leben vielleicht aus dem Weg gehen würde, sei es aufgrund ihrer exaltierten Jugend, sei es aufgrund ihrer nicht eindeutigen gesellschaftlichen Positionierung, sei es aufgrund der Andersartigkeit ihres individuellen Lebenskonzeptes.
Das formuliert Frau Ritter, wenn sie Kunstliebhaber/-innen auf einen jungen Türken mit aggressiv geöffnetem Mund und gerunzelter Stirn im aggressiv-zinnoberfarbenen Adidas-Shirt stößt. Der nimmt den Blick auf und läßt ihn durch die verhaltene Schroffheit einer zum Platzen gespannten Physiognomie abprallen. Siehe das Portrait "Köken Taner", aus dem Jahr 2000. Köken Taner war zum Zeitpunkt des Portraits Verteidiger beim Fußballklub Hassia Bingen, so die Malerin.
Oder wenn sie in dem Bildnis "Rebekka Loos" eine junge Frau zeigt, die zum Zeitpunkt des bildnerischen Erfassens offenbar wenig Wert auf eine spezifisch weibliche Erscheinung gelegt hat. Das Haar im Schnitt vernachlässigt, auf Schmuck zur Unterstützung der sinnlichen Erscheinung verzichtet, im provokativen Kapuzenpulli. Daß solche Jugendliche es schaffen, Dogeriemärkte auszurauben oder ganze Städte anzuzünden " man mag es gerne glauben. In unserem Lebenskontext voller vertraut-vertraulicher Rollenangebote, von der männlichen bis zur weiblichen, entzieht sich die Abgebildete, durch die Verneinung ihres Geschlechtes. Neutrum, zeigt sie aber einen festen scheulosen Blick, der das Unbestimmte zementiert. Entgegen der Blickbewegung des Betrachters erhebt sie ihr Haupt und steht gegen die linke Bildhälfte mit ihrem nackten Blick und ihrer freien Büste an. Daraus gewinnt sie ihren Stolz und ihre eigene, von gesellschaftlichen Rollenzuweisungen unbeeinflußte Würde. Akzeptiert man diese, kommt man nicht umhin, "Rebekka Loos" zu bewundern.
Was schließlich aber die Jugend angeht, so sei auf das Bildnis einer jungen Person verwiesen, vor orangefarbenem Hintergrund. Deren Augen, ihre Nase, ihr Mund wirken im Vergleich zum übrigen Körper etwas überproportioniert. Sie scheint den Betrachter zudem auch noch frontal anzuschauen " außer ihr linkes Auge, das schielt. Eine solche Irritiation weist auf das subjektive Empfinden des jungen Menschen hin. Dieses Empfinden wirkt aufgrund der Bedeutung der Sinnesorgane gesteigert, wenn nicht gar übersteigert. Ein solcher Eindruck wird durch eine harte Verschlagschattung an der nach unten flachen, unaristokratischen Nase sowie durch eine gerunzelte Stirnpartie verstärkt. Die Augen werden durch Falten unterhalb der Augenpartien akzentuiert, was einen ausgemergelten, entbehrungsreichen, wenn nicht sogar fanatischen Eindruck erzeugt. Auch hier ist nicht klar, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Zu einer Frau würde das feine Haar passen und die bleiche, zarte Inkarnatwirkung sowie die Kleidung. Androgyn hingegen wirken der kurze Schnitt und die kurzbündige Erscheinungsweise. Aber auch diese Person fordert etwas, in ihrem geraden und frontalen Blick und durch die Steigerung ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. Nun heißt "betrachten" jedoch, daß man sich zurückhält, Distanz wirken läßt und unbeobachtet bleibt. Das funktioniert in dieser fordernden Übersteigerung der Wahrnehmungssituation jedoch nicht.
Ein latent aggressives Mienenspiel der jugendlichen Abgebildeten wird entfaltet, die ihren höchst persönlichen Anspruch ans Leben vertreten und dessen Erfüllung einfordern. Man vgl. das Gemälde "Anja", aus dem Jahr 2001. Es zeigt bestimmende Augen sowie reduziertes Haar, fast frisurlos, sowie einen dünnen, fast ausgemergelten Körper. Im Bild "Fanny", 2002, beherrscht der dunkle Punkt der Pupille, gerahmt von einer kontrollierten Augenbraue, ein bleich-fahles Gesicht, konturiert im Profil durch eine pointierende Nasenpartie und einen verbissenen Mund. Der ganze Kopf in Seitenansicht auf einem gedrehten Leib, mit dem überlangen, gestreckten Hals als Achse. Widerstand ist zwecklos. Das Oberteil der Frau legt Reduktion nahe, mit dem Ausdruck widerständiger jugendlicher Kraft und Energie.
Anziehung (im Bild der jungen Person vor orangefarbenem Hintergrund) und Abstoßung ("Köken Taner"): dieser zwischenmenschliche Magnetismus wird also von Susanne Ritter durch das Medium des Portraits ausgearbeitet. Erweitert um die interessierte Anteilnahme ("Rebekka Loos"), die sich in eine weitere Bilderkenntnis umformt, kreist ihr Schaffen aber auch um die Pole von Möglichkeit und Wirklichkeit, und dies auch in formaler Hinsicht.
Möglichkeit und Wirklichkeit " Latenz und Manifestation
Die Bildgestaltung impliziert die Forderung nach mehreren Betrachtungsstandpunkten. Man vergegenwärtige sich das Format. Bei Gemälden der Größe von etwa 90 x120 cm zeigen die dargestellten Figuren als Brustbild oder als Büste Überlebensgröße. Geht man davon aus, daß der ideale Betrachtungsabstand mindestens die Länge der Bilddiagonale betragen sollte, um das Bild ganz überblicken zu können, so bewegt man sich bei o.g. Ausmaßen in einem Minimalabstand von etwa 150 cm. In der Praxis dürften drei bis fünf Meter Abstand durchaus gerechtfertigt sein, zumal die Figuren selbst nicht den gewohnten Maßen entsprechen. Das Format fördert in der ersten Betrachtung also die Fernsicht. Dem widerspricht jedoch der minutiöse Farbauftrag, der in kurzen, präzisen Strichen erfolgt und das Bild zum chromatischen Vibrieren bringt. Jener Farbauftrag läßt sich vom Betrachter in der Nahsicht würdigen. Die zweite Bewegung des Betrachters wird also eine zum Bild hin sein, die ursprüngliche Darbietungsferne überwindend, an das Bild herantretend. So entspricht diese Forderung nach mehreren Betrachtungsstandpunkten dem Kräftefeld der Anziehung und Abstoßung, das oben schon hinsichtlich der Charaktere und ihrer Darstellung registriert wurde.
Das wesentliche Hilfsmittel zur Betrachtung der Bildnisse der Susanne Ritter scheint mir neben einer Analyse des Zeichnerischen die Betrachtung der Farb- und Lichtgestaltung in den Werken zu sein. Das deshalb, weil mit größerem Betrachtungsabstand eine zeichnerisch leichte Farbigkeit überwiegt, mit dem Herangehen jedoch reine Farbe in ihrer kontrastreichen Wechselwirkung zu anderen Farben erlebt werden kann.
Die tiefenräumliche Verdichtung bildflächenparalleler Raumschichten läßt Licht als Relieflicht erfahrbar werden und erzeugt eine Distanzerfahrung in der Betrachtung. Der vordere Bildabschluß wirkt als ästhetische Grenze. In diesem Zusammenhang steht, daß die Gliedmaßen der dargestellten Personen in der Brustbild- oder Büstendarstellung verdeckt werden. Die Lichtgestaltung sollte vertiefend untersucht werden.
Als Beispiel diene das Bildnis "Daniel Hanau". Es liegt eine gebrochene Farbigkeit vor, v.a. im Pullover des Abgebildeten, in den Haarpartien, aber auch im Teint. Dieser erscheint aufgehellt. Dort aber, wo das Licht nach der Kinnpartie von links her eintretend einen Schatten auf den Hals Daniel Hanaus fallen läßt, entwickelt sich ein Spiel aus leuchtenderen Buntwerten. Diese liegen der aufgehellten Farbgebung der exponierteren Partien zugrunde. An den Kopfpartien erfolgt die Darstellung des Bildlichtes durch Aufhellung der Palette mit Weiß.
Bzw. umgekert: als ein Beispiel für die Schattengebung sei die Muldendarstellung an der Kleidung genannt. Der Pullover erscheint nicht einfach nur grau. Er zeigt in den Faltenmulden Beimengungen von Blau und Grün, die zu Violett und Rot im Kontrast stehen. Diese Kontraste werden jedoch durch die gebrochene Farbigkeit vermittelt. Diese Vermittlung bezieht sich dann auf das besamte Bildnis. Die Blau- und Grüntöne der Pulloverschatten werden vom Generalton des Hintergrundkolorits aufgefangen. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich das erwähnte rötliche Wechselspiel, aber auch die gelb-orange-rötliche Verlebendigung der Halspartie, die über die Wange auch das Gesicht und schließendlich auch die Lippen- und Augenpartiepartie belebt. Die dunkleren Partien im Bild werden also durch eine Intensivierung der Farbigkeit erzeugt.
Diesem Ausgreifen der Verlebendigung in der Bildfläche entspricht eine räumliche Verflachung. Diese besonders dort deutlich wird, wo man einen Schatten des Abgebildeten auf dem Hintergrundplan erwartet, aber nicht vorfindet. Das bedeutet, daß das Licht von links einfällt, und zwar bildflächenparallel, was auf eine reliefierende Beleuchtung schließen läßt. Diese kann man jedoch nur an der Kopfpartie vorfinden, nicht jedoch am Oberkörper des Abgebildeten, z.B. an dessen linker Schulter bzw. am linken Brustbereich. Auch diese Setzung zweier Lichtsituationen, einer diffus verflachenden am Oberkörper und einer gerichteten, dazu noch seitlich profilierenden am Kopf trägt zum Eindruck der tiefenräumlichen Verflachung bei.
Susanne Ritter unternimmt mit der Verwendung zweier erkennbarer Lichtsituationen, von denen die eine die Kopfpartie reliefartig profiliert, die andere den Oberkörper verflacht, eine auktoriale Vermittlung des Dargestellten gegenüber dem Betrachter. Denn sie macht die Bildgestaltung zum Thema und weist den Betrachter damit implizit auf ihr Schaffen hin. Der steht dadurch in einem ausgeprägten Distanzverhältnis zum Dargestellten. Es gibt keine leibliche Interaktion und keine räumliche Fortsetzung aus der Sphäre des Betrachters ins Bild. Gegenüberstellung und Entfernung regen zum Vergleich zwischen der Welt des Dargestellten und der Betrachterwirklichkeit ein. Unterstützend wirkt der Lichteinfall von links: es handelt sich oft um ein streifendes, von der Seite stammendes Licht, als deskriptive Entsprechung zum Lesefluß, nicht um eine affektbetonende Frontalbeleuchtung, wie wir sie aus dramatischeren Inszenierungen her kennen. Auf diese Weise wirken die Bildnisse von Frau Ritter erzählerisch. Man erkennt, daß eine jede abgebildete Person ihre eigene Geschichte erzählen kann.
Die Dargestellten stellen sich dem beschreibenden Charakter des Lichtes. Sie drehen das Antlitz zum Licht ("Daniel Hanau"), fordern es heraus ("Rebekka Loos"), treten in einen stillen Dialog mit ihm ("Fanny") oder wenden sich von ihm ab ("Anja"). Wie sehr die malerischen Bildnisse aus der Hand Susanne Ritters diese stille Zwiesprache mit dem Licht als gleichberechtigtem Bildgegenstand intendieren, wird anhand eines Vergleiches der "Rebekka Loos" mit einer Zeichnung deutlich, der von "Chris Röttger" aus dem Jahr 1993. Dort sieht man eine junge Frau " darauf wies mich die Malerin hin; ich dachte zuerst, es handele sich um eine männliche Person ", die ihr Gesicht dem von rechts einfallenden Licht zuwendet, mit den Augen jedoch auf den Betrachter zurückfällt, was die Haltung zur Pose stempelt. In dieser Pose erscheint das Licht unter- und nachgeordnet. Es dient der Erzeugung eines dramatischen Ausdrucks, der die Interaktion zwischen dem Protraitiertem und seiner Zeichnerin belebt. Durch die blickende Hinwendung zum Licht verliert im Bildnis der "Rebekka Loos" diese Beziehung jedoch an Rang. In der stillen, geschlossenen Geistesabwesenheit der "Rebekka Loos" wird dem aktiven Blick des Betrachters oder der Malerin die trotzig-stolze Introversion der Dargestellten entgegengesetzt.
Die Distanzierung zwischen betrachteten und betrachtendem Menschen durch den Blick kommt auch in dem Bild "Duygu" von 2006 zum Ausdruck. Zu nennen sind ferner das erwähnte Bildnis der "Agathe Mayer" oder auch "Steffen Mayer". Diese Personen schauen leicht am Betrachter vorbei ins Nichts. "Fanny" und "Anja" agieren noch konsequenter in der Abwendung vom Betrachter. Dabei wird die räumliche Situation im Bildnis der "Fanny" in der Körperdrehung ins Zweidimensionale übersetzt, im Bild der "Anja" die Angabe räumlicher Daten noch stärker reduziert. Daß die Abgebildeten am Betrachter vorbeischauen, thematisiert die Wahrnehmungssituation und stellt den Wahrnehmenden den Wahrgenommenen gegenüber. In gemeinsamer Schweigsamkeit je anderes zu schauen vereint und unterscheidet zugleich, im Gegensatz zur anschauenden Unterwerfung, zur bildrhetorischen Ansprache, zu handlungsnachahmenden oder -fordernden Fortsetzungen der Betrachterwirklichkeit oder im Gegensatz zu Entsprechungsverhältnissen zwischen dem Selbstverständnis des Betrachters und der Abgebildeten. Hier findet die grundsätzliche Entgegensetzung eines Erkenntnissubjektes und eines Erkenntnisobjektes statt, und zugleich ein Verweis auf die von der Wirklichkeit der Abgebildeten verschiedene Wirklichkeit des Betrachters.
Die Distanz wird durch die Verflachung der Kopfpartien unterstützt. Deren Proportionen, besieht man Nase, Ohren, Mundpartie und Augenhöhlen sind in den Schattenpartien hinsichtlich der Buntwerte intensiviert, aber nur äußerst leicht ins Dunkle gebrochen, was die Tiefenausdehnung etwas reduziert. Zugleich schildert Frau Ritter große und im Hell-Dunkel gering strukturierte Wangenflächen ("Daniel Hanau", "Duygu", "Rebekka Loos"), so daß ein flächiger Eindruck entsteht. Der Ausschnitt, der die Extremitäten der Abgebildeten beschneidet und so die Ausschnittsfläche von den Seiten her beengt, erinnert an eine Fernperspektive mit selektierender Freistellung des Bildgegenstandes. Dort, wo Susanne Ritter flächige Farbkontraste verwendet, wie z.B. Blaugrün-Rotorange in "Anja", das an das Bildnis des Dogen Loredan Giovanni Bellinis erinnert, entsteht eine noch schmalere Raumbühne, in der die oder der Abgebildete sich befinden kann " das gilt sicher auch für "Köken Taner" und dann auch für das blaue, ins Türkis spielende Oberteil von "Duygu" im Vergleich zum braun-ockerfarbenen Hintergrund. Aber auch zu diesen Bildern sei wieder auf das Inkarnat und seine zurückgenommenen Hell-Dunkel-Werte verwiesen, die die Person aus der Fernsicht in den Flächenzusammenhang einbetten.
Hierin liegt die "Latenz" als Eigenschaft einer Sache, die noch nicht in Erscheinung getreten ist. Das große Format: von weitem erscheint es schlüssig, bei nährem Herangehen unüberschaubar. Damit zusammenhängend: die Kontrastminderung und die Verwendung zarter, heller Farben in Strichen mit hellen Grundzwischenräumen. Sie läßt von ferne eine Zeichnung, nicht aber die Verwendung satter leuchtender Farben vermuten. Kleinformen wie Nasen, Augen, Mund stehen in dieser zeichnerischen Auffassung voneinander isoliert. Sie werden durch Wangen, Oberlippenpartie, Nasenseiten " verflachenden Teintpartien " voneinander getrennt. Dadurch können diese Kleinformen z.B. in "Duygu" ein poetisch-lyrisches Einzeldasein entfalten, dem die Möglichkeit gegeben ist, über eine angedeutete Strukturierung durch Farbe, Hell-Dunkel-Werte und körperliche Proportionierung miteinander in Beziehung zu treten. Denn eine solche angedeutete Strukturierung stellt die zurückgenommene Räumlichkeit in ihrer Auffassung als bildflächenparalleler Reliefraum dar, der Verzicht auf formübergreifendes Hell-Dunkel zugunsten einer Lichtgestaltung, deren Funktion im Oberkörperbereich in der Verflachung, im Kopfbereich in der Profilierung liegt " die also bewußt zur Disposition gestellt wird. Damit zusammenhängend die Farbe, die in der Fernsicht ihren Grund aus der Bezeichnung der Bildgegenstände bezieht, somit die Bildgegenstände voneinander isoliert.
Diese Latenz findet sich in der Formensprache, die sich an den Strich anlegt, im Grafischen verbleibt und aus der Dynamik der Linie lebt. So an der Kontrastgrenze zwischen Hintergrund und Gesicht bzw. Oberkörper. Dann im linearen Strich selbst, z.B. am intervallhaften Aufstreben der jugendlichen Büste im Bildnis "Duygu", sei es am aparten Kontur der Oberlippe oder der Augenbraue. Auch zu nennen: die Lippenformen des "Daniel Hanau", dessen Nähte am Pullover, die zu seinem Gesicht hinführen, oder sein Haar, das sich leicht kräuselt. Manche Konturen wie z.B. die der Nasenflügel spielen in die umgebenden Hautflächen. Man vergleiche das "Agathe Mayer", deren Gesicht fast symetrisch von Konturlinien durchzogen scheint. Diese Falten vermitteln von Mund und Nase zu den Augen. Dadurch bieten sich dem Betrachter Möglichkeiten der Strukturierung und Akzentuierung des am Kopf befindlichen sinnlichen Wahrnehmungsapparates der Person.
Möglichkeiten liegen auch in den Gestaltungsmitteln der Hinleitung und Rahmung von Formen in der Bildfläche. Auch in den Bildnissen der "Fanny" und der "Anja" bilden Mund-, Nasen- und Ohrpartien konturierte Einzelformen aus. Dabei sucht Susanne Ritter manchmal die Hinleitung zum Gesicht sowie dessen Rahmung durch Körper- und Kleidungsformen, entsprechend der klassischen Portraitmalerei, so z.B. im Bildnis der "Anja", ähnlich der "Duygu", als Faltenwurf eines Kleidungsstückes in zurückgenommener Farbhelligkeit. Oder " als Rahmung " im Bildnis "Rebekka Loos" oder der "Fanny" als Kontur des Kleidungskragens. Dem sekundiert im Falle des "Oleg Kouzitchkin" oder der "Duygu" eine Kette, auch diese als Linie gegeben.
Latenz liegt auch in der Bewegung und Körperdrehung der Abgebildeten mit ihren bisweilen verhaltenen, manchmal indifferenten, manchmal aber auch fordernden Blicken vor, die oft aus dem Bildausschnitt herausführen, am Betrachter vorbei. Sie wirken körperlich kompakt, was der Bewegungslosigkeit, den am Körper herabhängenden Armen und deren Beschnitt durch die Bildgrenzen geschuldet ist. Wo die Armpartien beschnitten werden, kann keine Hand als etymologischer und wirklicher Träger einer Manifestation auftreten. Latenz, vielleicht sogar Unentschlossenheit liegt vor in der Beleuchtungssituation am Kopf, die von einem harten gerichteten Licht von der Seite zeugt, die jedoch sogleich wieder in den Bereichen der Oberkörper zurückgenommen wird.
Latenz herrscht jedoch auch in der Unbestimmtheit von Geschlechterfakten und Geschlechterrollen, als Changieren zwischen Erwachsensein und Jugendlichkeit, in verschiedenen sekundärgeschlechtlichen Bestimmtheitsgraden.
Nun wurde eingangs behauptet, daß die Farbbehandlung von der Forderung nach mehreren Betrachtungsstandpunkten zum Gemälde ausgeht. Das Format fordere einen größeren Betrachtungsabstand. Damit zusammenhängend wurde die Raum- und Lichtsitaution als reliefartig gekennzeichnet. Die Farbgestaltung und die zeichnerische Behandlung der Formen auf der Bildfläche fördern die strukturierende Wahrnehmung als Herausbildung von Möglichkeiten der Beziehungen der Bildgegenstände zueinander. Damit verbunden: Latenz und Unbestimmtheit in Ausdruck, Körperhaltung und innerem Erleben.
Nun wurde jedoch auch der minutiöse Farbauftrag in vibrirenden Strichen angeführt, der im Bild übergreift und den Betrachter an das Bild heranführt. Das ist nun zu präzisieren.
Das Prinzip ist nicht neu. Es handelt sich um eine sog. "chromatische" Farbgestaltung (vgl. in der Folge Dittmann, Lorenz: Farbgestaltung und Farbtheorie in der abendländischen Malerei. Darmstadt, 1987, S. 262, zu Seurat), deren Kennzeichen ein den Formzusammenhang übergreifender Farbauftrag in voneinander unterschiedenen Strichen ausmache. Dadurch vereinheitliche die Farbgestaltung " und dies stellt ebenfalls eine farbgeschichtliche Beobachtung dar " auch die Auffassung von Form und Grund sowie die des Begriffes "Licht" (vgl. Dittmann: 1987, S. 262). In einem gewissen Betrachtungsabstand vermischten sich die optischen Farbwerte mit den beiden Folgen, daß Buntheit durch das Vibrieren der Striche energetisch aufgeladen und intensiviert werde, und daß der Lichteindruck wesentlich aus der Farbe heraus auf den Betrachter wirke, weniger jedoch als äußeres Hell-Dunkel-System an den Bildgegenstand herangetragen werde. Hierin findet sich m.E. der eigentliche Grund für den beschriebenen ästhetischen Bruch zwischen der Verwendung gerichteten Lichtes in der Kopf- bzw. Halspartie von "Daniel Hanau" bzw. "Duygu" sowie der ungerichteten Lichtsituation am Oberkörper.
Diese Striche bestehen aus Farbmaterie, die hinsichtlich der einzelnen Farbwerte zueinander in mehr und weniger ausgeprägten Farbkontrasten stehen und damit das Bild zum Vibrieren bringen. Ein weiterer Aspekt dieser Farbgestaltung ist die Konstitution von Hell- und Dunkelwerten nur durch Farbe, was sich an der Nasenpartie der "Duygu" beobachten läßt, aber auch am Beispiel des schon geschilderten, belebenden Schattens am Hals des "Daniel Hanau". Dort stehen sich orange-gelbe Strichungen mit bläulich-grauen Strichpartien gegenüber, entsprechend dem Wechsel konkaver und konvexer Wölbungen der fleischlichen Proportionen.
In der Nahsicht wird also die Formgebung durch künstlerische Gestaltung thematisiert. Dies stellt einen Nachvollzug der künstlerischen Bildwerdung durch den Betrachter dar. ähnlich wie in der Thematisierung unterschiedlicher Lichtrichtungen und damit unterschiedlicher bildkünstlerischer Raumauffassungen äußert sich hier die Künstlerin explizit zur bildkünstlerischen Gestaltung.
Das bildnerische Bemühen um den Menschen
Nun gilt es jedoch nicht, die Malerei von Susanne Ritter auf ein farbgestalterisches Prinzip " Chromatismus " zu reduzieren, weshalb abschließende Bemerkungen erlaubt seien. Der unterteilte Farbauftrag in Strichdivisionen wird nicht immer konsequent beibehalten, vgl. die Darstellung des Haares in "Duygu", dessen Strähnen die vibrierende Farbmasse queren. Dies ist auf die zeichnerische Arbeit des Portraitierens zurückzuführen. Man vgl. die unterschiedlichen Formen und deren Differenzierungen in den Zeichnungen der "Alexandra Kolbe" und des "Andreas Dietz". Die Zeichnung "Alexandra Kolbe" ist zerrissener, impulsiver und differenziert die Formen in kurzen, weichen und schrägen Schraffuren. Das Bildnis des "Andreas Dietz" hingegen versucht die Formgebung durch eine klassischere Linie, die den Kontur des Kopfes im Profil bestimmt und die Einzelformen am Kopf definiert. Der Schraffurzusammenhang wird im Haar und der Oberkörperpartie gelockert, zugunsten einer summarischen Angabe der Proportionen im Gesamtgefüge. Auch dies zweidimensional, ähnlich der losen Schaffuren in jenen Bildteilen. Am Kontur jedoch herrscht eine minutiösere Disziplin und eine an Halbtönen orientierte Hell-Dunkel-Gestaltung, die jener Partie Plastizität verleiht, ohne den zeichnerischen Zusammenhang jedoch aufzulösen.
Die chromatische Farbgestaltung mit ihrer Fernwirkung des Zusammenwirkens der Farbwerte in der distanzierten Zusammenschau entspricht dem Verhalten und dem Selbstverständnis anfänglicher jugendlicher Zurückhaltung, die in der näheren Bekanntschaft in freie individuelle Entfaltung übergeht " wenn man bereit ist, sich auf das jugendliche Gegenüber einzulassen " und das ist Susanne Ritter in ihren Bildnissen gelungen. Dieses Gelingen verdeutlicht Susanne Ritter, wobei sie den Betrachter seinerseits zum Kennenlernen einlädt.
Werner Brück, Bern, geb. 1971, Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Neueren Deutschen Literaturwissenschaft in Saarbrücken und Paris. Schwerpunkte: Gegenwartskunst, frz. Malerei des 17. und 18. Jhd., Fotografiegeschichte und Bild-Text-Bezüge. Zur Zeit Fertigstellung eines Buchtitels zur frz. Fotografie gegen Ende des 19. Jhd. in Paris. Redaktion des E-Journals recenseo.de.
"Der Körper ist der Einband des Geistes, das Gesicht der Titel und das Auge der Name des Verfassers." Dieses Zitat findet sich in den nach-gelassenen fragmentarischen Schriften eines Physikers, der zu den herausragendsten Naturforschern und Philosophen der deutschen Frühromantik gehörte, im Dunstkreis all derer, die sich in Jena, in Halle und Weimar um diese Zeit tummelten und ihn höchlichst schätzten, wie etwa Herder, Goethe, Alexander von Humboldt oder Clemens Brentano. Die Rede ist von Johann Wilhelm Ritter, der nur 33jährig in München starb, wo er bis zu seinem Tod an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften lehrte. Ein Vertreter der in seiner Zeit höchst populären Lehren des Galvanismus und ein Mann, dessen äußerungen man auch heute noch ernst nehmen darf und sollte.
Was ist bei einem Buch wichtig? Wahrscheinlich nicht allein oder in erster Linie das äußere, der Einband, sondern eher schon Titel und Verfasser. In der Bildlichkeit Johann Wilhelm Ritters also das Gesicht und die Augen. Das am Menschen, was auch die in Düsseldorf geborene, in Rheinhessen lebende und mit Ritter aufgrund eines glücklichen Zufalls den Nachnamen teilende Künstlerin seit Jahrzehnten fasziniert, dem sie sich als Malerin mit geradezu monomaner Hingabe und Ausschließlichkeit widmet.
Gesicht als "Titel" des Menschen. Susanne Ritter sucht sich diese Menschen vielleicht ähnlich aus, wie man ein Buch auswählt. Wenn ich den Inhalt und auch den Verfasser nicht kenne, ist es am ehesten der Titel, der mich dazu bringt, ein Buch in die Hand zu nehmen oder nicht. Auf die Vorgehensweise der Ritter angewendet hieße dies: ob sie einen Menschen auf der Straße, in der Hochschule, im Fußballstadion anspricht, einen Menschen, der sie als Modell reizt. Der Zufall, erzählt sie, spiele da mit, aber auch ein bestimmtes Gespür, für das es nicht einmal den direkten Blick ins Gesicht brauche, sondern häufig nur die Beobachtung der Art und Weise, wie sich jemand bewegt, wie er geht. Die Wahl fällt überwiegend auf junge Menschen; offenbar zählt Susanne Ritter nicht zu denjenigen, für die ein Gesicht erst dann interessant wird, wenn es die Spuren des Lebens, des Alterns trägt, wenn Falten und Linien aus ihm eine bewegte Gesichtslandschaft machen. "Das Gesicht einer jungen Frau hat die Ruhe, die Glätte, die Kühle der Oberfläche eines Sees", schrieb Heinrich Heine und meinte dann immerhin, zum Trost all derer, die schon die Dreißig überschritten haben, erst dann fange das Gesicht einer Frau an ausdrucksvoll zu werden.
Genau diese Glätte und Kühle eines Gesichts aber passt zu dem puristischen Ansatz, mit dem sich die Künstlerin, die bis 1970 am damaligen Institut für Kunst- und Werkerziehung in Mainz studierte, ihrem Motiv nähert. Zu einem Purismus, der sich in der völligen Konzentration auf das überlebensgroß gemalte Gesicht manifestiert. Schon diese Überlebensgröße hebt die Bildnisse der Ritter über das Stadium des bloßen Abbilds von Realität hinaus, schafft eine Monumentalität, die instinktiv zumindest zunächst die oder den Betrachtenden auf Distanz hält. Tatsächlich geht es der Künstlerin bei aller Akribie, deretwegen sie gerne in die altmeisterliche Richtung gerückt wird, nicht um die fotorealistische Wiedergabe ihrer Modelle, sondern um etwas, was sie selber "Wiederfindung" oder "Rekonstruktion" nennt. Liegt auch der Ausgangspunkt eindeutig in der Realität – am Anfang des Schaffensprozesses stehen, ganz klassisch, stundenlange, für beide Seiten anstrengende Sitzungen, in denen sie ihre Modelle zeichnet –, entfernt sich das Endprodukt, das Bildnis (bezeichnender-weise eben nicht das "Porträt"!) unter Umständen gezielt von dieser Wirklichkeit.
Was die Ritter malt, ist schlicht das Gesicht pur, ein Gesicht, das zumindest in vielen Fällen bewusst keinen bestimmten Ausdruck zeigt, weder übermäßige Freude noch tiefe Trauer (auf die Ausnahmen werden wir noch zu sprechen kommen), weder Zärtlichkeit noch Aggressivität. Sie fordere, meint die Künstlerin, ihre Modelle im Gegenteil dazu auf, auf jegliche Pose, auf jedes exaltierte Mienenspiel zu verzichten, einfach nur sie selber zu sein. Denn alles, was vom Gesicht ablenken könnte, stört, und dies würde auch für aufwendige oder besonders auffällige Frisuren gelten. Wenn Sie hinschauen, werden Sie sehen, dass alle, gleichgültig ob Frau oder Mann, ausgesprochen spartanische Frisuren haben, kurze, stoppelige, stachlige oder straff zurückgebundene Haare. Da fällt keine Strähne lässig ins Gesicht, kringelt sich keine Locke unbotmäßig oder kokett. Die Ritter meint dazu lakonisch, sie wolle schließlich keine Haartrachten malen, sondern eben Gesichter. Gesichter, die, und das trifft besonders häufig auf die weiblichen Bildnisse zu, allein schon aufgrund dieser wenig geschlechtsspezifischen Frisur immer wieder etwas Androgynes, nicht Festgelegtes haben (wie etwa die Engel eines Piero della Francesca, an die allerdings am allermeisten das Porträt eines jungen Punks denken lässt, das tatsächlich von einem Engel inspiriert wurde: "Julita").
Nehmen Sie nur mal die Bildnisse der Rebekka Loos oder der Agathe Mayer, das eine im Dreiviertelprofil, das andere en face gemalt. Wir sehen zwei junge Frauen, die offenbar auf alles Wert legen, aber nicht darauf, sonderlich weiblich oder attraktiv zu wirken. Beider Kleidung (das ist eines der wenigen und überaus sorgfältig ausgewählten und gestalteten Attribute, die die Ritter in ihren Bildnissen als Teil der Inszenierung des Gesichts zulässt!) hat etwas von der Schlichtheit einer Mönchskutte, an die auch die Farbigkeit erinnert; im einen Fall ein Kapuzenshirt, achtlos um den Hals drapiert, im anderen Fall ein Hemd mit einem gerollten Kragen, beide relativ weit ausgeschnitten, so dass man die Hälse sehen kann.
Die Hälse, die für Susanne Ritter ebenfalls ausgesprochen wichtig sind, sind doch sie der Körperteil, der den Kopf trägt und stützt, dessen Haltung mitbestimmt bzw. gar erst ermöglicht. Meist sind diese Hälse nicht schwanengleich und grazil (eine Ausnahme für mich ist "Fanny", ähnlich androgyn wie die beiden zuvor genannten Bildnisse, dazu von einer beinahe ätherischen Schönheit, verstärkt durch die befremdliche, von Gelb-Grüntönen geprägte Farbigkeit, die ihr etwas Opheliahaftes verleiht), sondern eher wuchtig, erst recht bei den männlichen Modellen, die auch deshalb teilweise fast bullig, gedrungen, irgendwie macho-mäßig erscheinen.
Dabei ist der Hals mehr als Träger und Stütze des Kopfes. Er ist der Körperteil, auf dem sich entscheidend Gestalterisches abspielt, der die Gesamtwirkung der Komposition entscheidend mitbestimmt . Auf den Hals fällt bei fast allen Dargestellten der Schatten des Kinns, verursacht durch ein meist von der Seite her die Dargestellten (ich verzichte bewusst auf die Bezeichnung "Porträtierte", denn ein Porträt im eigentlichen, engeren Sinn sind die Bildnisse der Ritter eben nicht!) beleuchtendes Licht. Diagonal verläuft die Linie dieses nie scharf konturierten, sondern sanft eingedunkelten Schattens, dessen Farbigkeit eine Art Brückenfunktion zwischen Gesicht und Bildhintergrund übernimmt. Das wird schon aus der Distanz heraus sichtbar, erst recht aber dann, wenn man sich diesen Bildnissen nähert. Dann fangen für mich die Bilder erst richtig an zu leben, denn nur in der Nähe sind die Tausende und Abertausende feinster Pinselstriche zu erkennen, die Susanne Ritter in unendlich vielen, bis zu 30 oder 40 Schichten über- und nebeneinander setzt, in Eitempera und Acryl, beide gleichermaßen lasierend angerührt, so dass die körnige, grobe Struktur der Leinwand trotz dieser vielen Farblagen nicht zugekleistert und übertüncht wird, sondern wesentlich zur Lebendigkeit der Textur dieser Bilder beiträgt.
Aus der Nähe betrachtet zeigt sich, dass Flächen, die aus der Ferne vollkommen einheitlich und geschlossen ausschauten, das Inkarnat von großzügig dimensionierten Wangen, Nasen, Stirnpartien und Hälsen, das so verschiedenartige Rot der Lippen, tatsächlich Resultat unterschiedlichster winziger Farbsetzungen sind. So kann die Ritter natürlich absolut behutsam mit Farbe differenzieren, Farbtöne geradezu lehrbuchmäßig sanft aus einem in den anderen Zustand überführen, aus einem helleren in einen dunkleren, aus einem sanfteren in einen grelleren. Was sie mit Farbe macht, sind keine gewaltigen Oktav-sprünge, sondern allenfalls dezente Sekundbewegungen, mit denen sie verblüffend plastische Resultate erzielt, mit und aus denen sie die Höhen und Tiefen ihrer Gesichter regelrecht modelliert.
Und so sind denn Gesichter, Kleidung, Bildhintergrund, sind Licht und Schatten in ihren Bildnissen eng miteinander verzahnt, selbst dann, wenn sie auf den ersten Blick ungewöhnlich kräftige Kontraste einsetzt. Besonders auffällig ist dies in einigen Bildnissen, bei denen die ohnehin kaum zu übersehenden und bereits angeklungenen Beziehungen der Künstlerin zur Malerei der Renaissance noch klarer zutage treten. Nehmen Sie nur einmal die Bildnisse zweier Frauen, die in jeder Hinsicht aus dem Rahmen fallen, denn hier werden, dürfen, sollen und müssen gar einmal ganz unverhohlen Emotionen gezeigt werden, Emotionen, die vor allem in den weit und klagend aufgerissenen Mündern greifbar werden ("Weinende Daniela", "Kerstin, weinend"). Dafür gab es eine klar zu bestimmende Anregung, das Fresko des deutschen Renaissancemalers Jerg (oder Jörg) Ratgeb im Refektorium des Frankfurter Karmeliterklosters, einst das größte Fresko nördlich der Alpen. Geschaffen von einem Maler, dessen bewegtes Leben immer wieder den Stoff für Romane, Theaterstücke oder Filme lieferte. Hier stellt er die bestialischen Martern dar, denen die Karmeliter seit der Gründung ihres Ordens immer wieder unterworfen wurden. Viel Leid, viel Wehgeschrei!
Die Expressivität Ratgebs hat gewissermaßen auf die beiden erwähnten Porträts Susanne Ritters "abgefärbt" (die für mich gerade aufgrund dieser Expressivität zugänglicher sind, balanciert ihre Emotionalität doch zumindest teilweise die Kühle aus, die von anderen ausgeht) – selbst dann, wenn man bei ihren Frauen eher den Eindruck hat, Akteurinnen gegenüberzustehen, die Klage mehr verkörpern als wirklich empfinden. In jedem Fall spürt die Malerin, dass sich in diesen Bildnissen etwas für sie Ungewöhnliches tut, etwas, was sie deshalb wieder nicht nur gefühlsmäßig, sondern ganz überlegt zurücknimmt. Das geschieht im einen Fall durch Farbe, durch die Gestaltung des Hintergrunds, ein ansonsten kaum einmal zu findendes, sehr kräftiges Türkis, das der Dramatik des weit geöffneten Mundes gegensteuert, beim Gegenstück durch einen besonders auffälligen Pullover im beinahe poppigen Kuhfleckenmuster. In diesen Details wird vielleicht am besten deutlich, wie stark die Künstlerin in ihre Bildnisse eingreift, wie sehr sie, einer intendierten Wirkung halber, von der Realität abweicht, gestaltet und inszeniert - mit sparsamen, aber gerade deshalb desto effektiveren Mitteln. Ein gültiges Beispiel ist ein weiteres Frauenbildnis, dasjenige, auf dem die Dargestellte einen ins Auge stechenden Pullover mit breiten Blockstreifen trägt, und wieder gibt es in dem dargestellten Gesicht selber etwas, was dieses dominante Muster optisch notwendig macht, nicht einen weit geöffneten Mund, sondern dunkle, sehr intensive Augen, die ohne diesen farbigen Kontrapunkt alle Blicke ausschließlich auf sich ziehen würden ("Jelena Pawlowa").
Gerade das aber will Susanne Ritter ja nicht, sie will nicht Malerin der Augen sein, der "Berichterstatter des Hirns", wie sie Marcus Tullius Cicero nannte, sondern eben Malerin des ganzen Gesichts, das für Cicero das Abbild des Hirns war. Sie ist eine Malerin von Gesichtern, die ihr Gegenüber, allein schon aufgrund ihrer Größe, gleichzeitig anspringen und auf Distanz halten, es zwingen, sich mit ihnen auseinander zu setzen und dabei vielleicht in ihnen mehr vom eigenen Ich wiederzufinden, als einem lieb ist. Es ist anstrengend, ein solches Bild immer wieder anzusehen und möglicherweise darin Dinge zu entdecken, die einem selber außerordentlich nahe gehen - oder, um in der Bildlichkeit zu bleiben, Dinge, die einem "wie aus dem Gesicht geschnitten" sind, auch wenn die Menschen der Susanne Ritter ihrem Gegenüber selten direkt ins Gesicht schauen und sich weit öfter im Dreiviertel-, Halb- oder Viertelprofil von ihm abwenden. So, als ob sie die Distanz, die sich aus ihrer Monumentalisierung heraus ergibt, noch verstärken, noch unterstreichen wollten, dass es leichte Zugänglichkeit gar nicht gibt.
Für mich manifestiert sich dies in den männlichen Bildnissen noch stärker als in den weiblichen, möglicherweise auch deshalb, weil hier die Farbigkeit der Hintergründe, der Kleidung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, noch kühler, gebrochener, distanzierter ist und wirkt. Wie bei Daniel Hanau, einem der Dargestellten (die Namen sind zugleich die Titel der Bildnisse), dessen Blick in eine außerhalb der Fläche der Leinwand liegende Ferne zu schweifen scheint. Eine undefinierbare Ferne, für die das seinerseits eher undefinierbare, nicht festgelegte Blaugraugrün des Bildhintergrunds steht, eine Farbe, die letztlich genauso wenig einladend ist wie das Hellbraungrau des Pullovers, dessen Reißverschluss aufgezogen ist, so dass das Kragenbündchen herunterfällt und wieder den Blick auf den Hals freigibt. Der ist eben unverzichtbar, und wenn wir genau hinschauen, werden wir diese Form der "Bloßstellung" in fast allen Bildnissen Susanne Ritters wiederfinden. Eine Bloßstellung, die etwas von Demaskierung hat, wobei es hier ja keine Masken gibt, die herunterzureißen wären. Nur Gesichter, die allerdings oft seltsam starr, maskenhaft anmuten, bei denen man sich am liebsten bei Oscar Wilde festhalten möchte, der konstatierte, eine Maske erzähle oft mehr als das darunter verborgene Gesicht. Die Wahrheit muss ohnehin jeder für sich selber suchen und finden.
Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach, Kulturjournalistin und Autorin
Eröffnungsrede zur Ausstellung im Haus Metternich, Koblenz, November 2007
Lieselotte.Sauer-Kaulbach@web.de
Es handelt sich bei meiner Malerei um Portraits in mehr als doppelter Lebensgröße, ausgeführt in Eitempera und einer Acryl-Lasurtechnik auf Leinwand.
Die Modelle werden auf der Straße angesprochen, dann wiederholt gezeichnet, auch fotografiert.
Im Atelier findet ohne Modell eine vergrößernde Rekonstruktion der einzelnen Köpfe statt. Die abbildende Ebene der ursprünglichen Zeichnung wird verlassen, eine nicht realistische Komponente hinzugewonnen und diese ausgearbeitet durch die Verwendung von Frisur, Kleidung und Schmuck.
Die Herstellung der Leinwand hingegen ist ein rein handwerklicher Vorgang:
Man rührt den Malgrund an und trägt ihn auf das sorgfältig gespannte und geleimte Leinen auf. Vor allem Anfang steht möglicherweise ein vertrautes, fast zärtliches Verhältnis zur Leinwand.
Untermalt wird in Eitempera mit begrenzter Palette auf eine lineare feine Kohlezeichnung, ähnlich wie bei einem Fresco der Renaissance. Hier geht es um den "Ausdruck", noch nicht um die Farbigkeit. Zur eigentlichen Malerei kommt es erst, wenn mit Acrylfarben ein spezifischer Klang entwickelt wird, der jeweils neu sein soll und dazu taugen muss, den dargestellten Menschen zu bezeichnen. Nun wird die Farbe allerdings nicht sozusagen im Töpfchen angerührt und aufgestrichen. Vielmehr entsteht sie nach und nach durch das Übereinanderlegen vieler hauchdünner, oft gestrichelter Schichten, beginnend an verschiedenen Stellen im Bild und fortgeführt bis zur Sättigung. Bei der fertigen Arbeit sind alle Schritte dieses Prozesses noch zu sehen, von der farbigen streifigen Imprimitur bis zum deckenden Glanzlicht. Das Nacheinander der Vorgänge, das in Schichten Gebaute bleibt bewußt. Man erfaßt das fertige Bild dann auch nicht mit einem schnellen Blick, sondern es entsteht im Betrachten jedesmal neu.
Modeeffekt oder wirklich eine ästhetische Wende? Man muß zweifellos zugeben, daß das Portrait mit Macht in die zeitgenössische Kunst zurück kehrt. Als wenn das Subjekt, in der Krise durch die Theorien vom "mort de l'homme" (Tod des Menschen) der 60er Jahre, (wieder) eine der großen ästhetischen und künstlerischen Fragen unserer Zeit werden wollte. Aber worum handelt es sich wirklich? Sind wir im Augenblick auf dem Weg zurück zur wiedererkennbaren Gestalt, mit der die Moderne auf verschiedene Weise versucht hat abzurechnen, vor allem mittels der abstrakten Malerei und der Konzeptkunst? Oder handelt es sich um eine bemerkenswerte Entwicklung der zeitgenössischen Kunst, die, unter dem Deckmantel der"Beziehungsästhetik" den Weg des Subjekts wiederfindet, dazu die menschlichen und kulturellen Tugenden einer brüderlichen Humanität? Wäre es möglich, daß diese Renaissance des Gesichts in Fotografie, Malerei und Video den Abschluß und insgesamt das Ende darstellt einer künstlerischen Geschichte des Körpers, weitläufig abgehandelt in der Kunst der Moderne? Unter den Mythen, die die Moderne genährt haben und die gewisse zeitgenössische Formen immer noch bestimmen, nimmt der transgrediente Körper tatsächlich einen wichtigen Platz ein. Von den Überschreitungen, den Grenzfällen und Ausbrüchen durch körperliche Verstümmelung, Inszenierung, Verhöhnung und Verklärung (body art, Wiener Aktionismus) scheinen immerhin die profitiert zu haben, die sich auf der mystischen Suche nach Transzendenz befinden, vielleicht auch die christliche Darstellung des Subjekts. Die offenkundige augenblickliche Rückkehr zur Wiedergabe des Gesichts scheint das Ende aller Feindseligkeiten zu bedeuten, ist wie das Aussetzen dieses Doppelmythos der Transgression und der Transzendenz. Aber handelt es sich da um eine nostalgische und beruhigende Rückkehr zu irgendeiner ästhetischen Ordnung? Natürlich ist es unmöglich, alle diese Fragen auf einmal zu beantworten, solange sich die Bilder von Gesichtern vor unseren Augen tummeln und vermischen: Gesichter von Politikern, Gesichter von Stars, Mannequins oder Unbekannten auf Werbe- und Wahlplakaten und auf den unzähligen Modemagazinen oder in der sogenannten Volkspresse.
Renaissance und Pop Art
Zwei Aspekte des zeitgenössischen Portraits sind auf Anhieb frappierend:Die zuweilen brutale Frontalität, die man als unveränderbar empfindet, mit der das Individuum sich präsentiert wie ein ungeteiltes Ganzes; aber auch der Verzicht auf jede Form von Allegorie, von bedeutungsvoller Emblematik oder Erzählung, die eine solche Darstellung ja enthalten könnte. So daß es sich nicht um eine "Rückkehr" zum Genre des Portraits handeln kann. Die verschiedenen zeitgenössischen Bildnis-Darstellungen tendieren zu einer Form abstrakter Figuration, der Gesetze der Erzählung, auch der Botschaften entkleidet, die das Genre des "Portraits" normalerweise liefert (historisch, erinnernd, individuell oder typisierend) (1). Bei den bedeutenden und in Frankreich zu wenig bekannten Arbeiten der deutschen Künstlerin Susanne Ritter handelt es sich darum eher um Sinnbilder. In ihnen gehen Tradition und Jetztzeit zunächst ein geheimes Bündnis ein, weshalb die Malerin durchaus auf den Einfluß der italienischen Renaissance in ihren Werken hinweist, deutlich in einigen Portraits der späten 80er und frühen 90er Jahre. In diesen füllt das Subjekt die Leinwand komplett aus und präsentiert sich von vorn, im Profil oder im Dreiviertelprofil. Im einzelnen denke ich da an "Profilbild" (1988, 100 x 89 cm) und vor allem an "Olga" (1990, 110 x 85 cm) (2), die Erinnerungen wachruft an das Portrait der "Simonetta Vespucci" von Piero di Cosimo. Aber man sieht bald, daß das Universum der Susanne Ritter ein anderes ist. Ihre Portraits sind ganz und gar unverhüllt, nüchtern, an der Grenze zu einem Zustandswandel. Man findet da weder Gegenstand noch Symbol, die geeignet wären, uns Rang oder gesellschaftliche Funktion der Modelle zu entschlüsseln. Die Frauen, manchmal in meditativer Haltung ("Sylvia" 1991, 110 x 90 cm), haben keine zum Beten erhobenen Hände und tragen keine nackten Babies; sie sind gekleidet in ihre Werktagsgarderobe und präsentieren sich alle isoliert, so wie man sich in einem Fotoautomaten fühlt. Tatsächlich arbeitet Susanne Ritter nach Modellen, Individuen, die sie auf der Straße zufällig findet (in Mainz, Frankfurt oder Paris). Ihre Malerei lehrt einen also vielmehr, sich dem anderen zuzuwenden, ermöglicht ihn zu sehen, macht ihn sehen. Ihre Zeitgenossen mit den Augen der italienischen Renaissance betrachtend, sieht Ritter allerdings die klassische Tradition mit heutigem Blick. Sie ist sich darüberhinaus des Einflusses bewußt, den die vergrößerten Kleidungsstücke (Knöpfe, Hemden) von Domenico Gnoli auf sie hatten. Und wir begegnen der Pop Art in den geschminkten und verkleideten Portraits, die sie in den 80er Jahren malt. "Tarantella" (1984), "Edith auf dem Sofa", "Edith mit Händen" (1985), "Hedy Mußler" (1988); man denkt an die populären Bildnisse von Andy Warhol und James Rosenquist. Wie in der Pop Art haben Ritters Portraits hier etwas Karikierendes, das Lachen ist gezwungen, der Frohsinn künstlich. Zum Beispiel erinnert "Hedy Mußler" an das "John Crawford says..." von Rosenquist (1964). Es ist die Pop Art, die mitgeholfen hat, eine neue Zeichensprache zu installieren mit der Hilfe alltäglicher Gegenstände (etwa einer Coca-Cola-Dose oder einer Wasch-pulverkiste), während die ehemals universellen Symbole der religiösen Ikonografie (die Taube der Verkündigung, die Symbole der Eucharistie) für die Mehrheit heute unverständlich sind oder abgewertet werden auf den Rang von Accessoires. Die große Lektion Baudelaires gilt demnach noch immer: Modern sein heißt, von seiner Zeit sein, nicht weil unsere Zeit besser wäre als andere, sondern weil sie unsere unüberschreitbare historische Bedingung bildet, und nur wer sich die tatsächliche Sprache seiner Zeit zu eigen macht, darf hoffen, mit ihr andere Horizonte zu erreichen. Also, anstatt von nostalgischer Rückkehr zu sprechen oder vom Wieder-aufkommen des Portraits, sollten wir uns jetzt fragen: Welches sind die Bedingungen für die Möglichkeit einer zeitgenössischen Darstellung des Gesichts? Was bedeutet ein Gesicht malen für einen Künstler von heute? Einen Künstler, der, ob er will oder nicht, in einem widersinnigen und gewalttätigen Universum lebt, in dem die mediale Wiedergabe von Gesicht und Körper zum großen Teil ein sozioökonomischer Wert ist (eine "Ware"), aber auch ein politischer und sogar theologischer, wenn man an den optischen Entzug des weiblichen Gegenübers durch die muslimischen Fundamentalisten denkt. Kurz, was bedeutet die bildliche Darstellung des Gesichts des Anderen in einer Welt, die seine Wiedergabe doppelt zu verbieten scheint, sei es im Namen einer Logik des freien Marktes des Überangebots und der Überproduktion, sei es irreführend im Namen Gottes, ohne im übrigen diese beiden Prinzipien gleichstellen zu wollen, die wenig miteinander zu tun haben?
Negative Portraits: Lobrede auf die Oberfläche
Lange hat Susanne Ritter keine Gesichter gemalt. Nicht, weil es noch nicht ihr Problem war oder weil sie diese Frage erst spät erkannt hätte, sondern vor allem, weil das Gesicht des Anderen, sein unmittelbares Auftauchen vor uns, ihr zunächst unabbildbar erschien. Vorsicht: Wenn es ein Unabbildbares gibt durch Mangel an Präsenz, durch Abwesenheit und unausgesetzten Entzug, gibt es das Unabbildbare auch durch exzessive Anwesenheit, ein beunruhigendes Übermaß derselben, "Hypersichtbarkeit". "Überall sind Augen", hat sie mir einmal gesagt, "auch in den Fenstern, unsichtbar." Überkommene, krankhafte oder kindliche Angst eines Subjekts, das sich ständig beobachtet fühlt? Es handelt sich vor allem um die entscheidende Erfahrung, die jeder macht, des fast physischen Gewichts des Blicks des anderen, den man auf sich lasten fühlt. Als sie mit zwanzig Jahren "Das Sein und das Nichts" von Sartre liest, ist Ritter getroffen durch die phänomenologische Beschreibung der berühmten Struktur des "Seins für andere". Diese Erfahrung hat vielleicht auf philosophischer Ebene ihr Engagement in der Malerei mitbefördert: daß es genügt, daß in einem beliebigen Gesichtsfeld ein anderer erscheint, der mich sieht, um mich als Objekt und in meiner Freiheit bedroht zu fühlen. Diese Bedrohung, so gut beschrieben durch Sartre, enthüllt mir selbst mein Sein für andere, meine ontologische Verantwortung dem anderen gegenüber und die schicksalhafte Verkettung unserer Leben. Unmöglich, unter diesen Bedingungen dem anderen ins Gesicht zu sehen, wie ich eine Kompottschüssel ansehe oder eine Flasche, Objekte, die die Kubisten für ebenso wichtig hielten wie den menschlichen Kopf; unmöglich auch, mich von seinem Blick abzuwenden, der mich sein läßt und meinem Leben Sinn gibt. Kurz, wie in einer säkularisierten negativen Theologie begann Susanne Ritter zunächst den anderen als Negativ zu malen. Zu sichtbar, zu sehend und frei, mußte damit begonnen werden, diese außerordentliche Freiheit darzustellen, koste es was es wolle. Unter ihren ersten Negativportraits findet sich bezeichnenderweise ein Blinder ("Blinder", 1973, 110 x 86 cm), dessen Gesicht und Körper fehlen: Das "Portrait" reduziert sich auf die Vergrößerung einer grünen Jacke, auf deren linker Seite ein leerer Ärmel herunterhängt, dem eine gelbe Binde mit drei schwarzen Punkten übergeschoben ist. Zwei von ihnen scheinen uns zu fixieren wie leere Augenhöhlen. Da versteht man (aber ich versuche gar nicht, diese Malerei wirklich zu verstehen, sondern nur, auf die Notwendigkeit einer Annäherung hinzuweisen), daß ihre ersten Bilder alle Portraits ohne Gesicht und Fleisch und Blut sind (keine sichtbaren Köpfe, keine Arme, Hände oder Beine): verengte Einstellungen, einigermaßen monumental, Kleider eines immer abwesenden Modells. So etwa Nachthemd ("Nachthemd", 1972, 105 x 95 cm), Schlafanzug ("Schlafanzug", 1972, 105 x 95 cm) oder auch Bademantel ("Bademantel", 1973, 130 x 150 cm). Auf den ersteren ein kleiner Teil eines Halsansatzes. Nicht die leiseste Andeutung von Haut beim dritten, der dafür die Hände in die Taschen des Bademantels gesteckt hält, in einigermaßen entspannter Haltung, die leichte Wölbung läßt, um mit Balzac zu sprechen, einen "homme là-dessous" (Menschen darunter) vermuten. In ihren ersten Arbeiten der 70er Jahre ist die Gegenwart des Körpers unter dem Gewand lediglich durch diese leichte Wölbung angezeigt. Die Kleider, mehr von Polstermaterial als von menschlichem Körper gefüllt, erscheinen so ein bißchen wie irreale Popanze. Die Strenge der "Pose" und die monumentale Ansicht dieser Gewänder, gemalt von Rand zu Rand, so daß die Fläche ganz davon ausgefüllt ist, erstaunen gleichzeitig durch ihre peinliche, quasi hyperrealistische Genauigkeit. Dieser Hyperrealismus der Kleidung erfüllt hier eine besondere Aufgabe: Die Anwesenheit des Anderen zu unterstreichen, während er offenkundig abwesend ist. Denn diese gewöhnlichen Kleider, häufig von außerordentlicher malerischer Schönheit, bilden die sichtbare Vorderseite des Subjekts, mehr oder weniger seine unmittelbare Haut. Darum hat Susanne Ritter nie Akte gemalt. "So begegnen wir dem anderen nicht im Alltag", sagt sie. Und man weiß, daß nichts weniger natürlich ist als die Nacktheit, daß heißt, nichts ist weniger direkt, spontan und gratis. Sollte es dennoch eine Nacktheit in dieser Malerei geben, muß man sie woanders suchen: In der eigentümlichen Behandlung der Sichtbarkeit und Erscheinung durch die Künstlerin.
Das Gesicht und das Sichtbare
Susanne Ritter hat sich entschieden, den anderen zu malen, weder um eine persönliche Geschichte zu erzählen, noch, wie man vielleicht glauben möchte, um uns im Sinne der Philosophie über unsere ethische Verantwortung zu unterrichten, an die uns das Gesicht des nächsten erinnert, wie sich Emmanuel Levinas ausgedrückt hätte. Vielmehr handelt es sich darum, sich neuerlich einzulassen auf Bedingungen, die ein Sichtbar-werden erst möglich machen und sich zu den Grundlagen des Sehens zu befragen, dessen essentieller Bestandteil der Andere ist. Denn es ist das menschliche Gegenüber, das vor allem zu sehen lehrt, in dem Sinn, daß sich seine Seele ja hinauswagt und spiegelt, sowohl auf der Oberfläche seines Gesichts als auch auf seiner sichtbaren Gestalt. Ritter widmet sich also der Oberfläche, ist gefesselt an ihre doppelte und zweideutige Logik. "Ich bin von jeher einer Magie des Gegenstandes verfallen. Unter allen "Gegenständen" faszinieren mich Haut, Hülle, Kleid des Menschen am meisten, ihre Magie ist ihre Fähigkeit, über das Individuum Auskunft zu geben und doch wieder nicht: nämlich alles zu verbergen" (3). Man kennt die dem Schleier und der Verschleierung innewohnende Dialektik. Sie besteht darin, auf etwas hinzuweisen, indem man es versteckt, etwas zu enthüllen, indem man es den Blicken entzieht. Perverse Logik und doppelte Öffnung des Vorhangs. Hier bedeckt die Kleidung nicht die Blöße, sie stellt sie als solche erst her. Radikal nackt sein ist das Ausstellen der Oberfläche der Erscheinung (das haben also Kleid und Haut gemeinsam). So stellt man fest, daß, wenn das Subjekt tatsächlich und komplett auftaucht auf ihren Bildern Ende der 80er Jahre und wenn es aufhört sozusagen Versteck zu spielen mit dem Rahmen, eine Spannung entsteht zwischen Dasein und Abwesenheit, Realität und Unwirklichkeit, deren Realisation zum fesselnden Schauspiel wird. Die Präzision des Kleides reagiert auf die offenkundige Abwesenheit eines Subjekts, das sich präsentiert indem es sich verweigert. Schwierige Übung; in dieser außerordentlichen Malerei geht es am Ende darum, den Blick des Anderen um jeden Preis zu erhaschen. Schwierig, denn es genügt, daß ich einen meiner Zeitgenossen ein bißchen fixiere, schon ist er irritiert, fühlt sich beobachtet und nimmt irgendeine Haltung ein, um mir das Geheimnis seines Gesichts vorzuenthalten: "die Sache an sich" des Antlitzes selbst, ungesehen, das nicht Sichtbare des Gesichts, das doch die Sichtbarkeit einer menschlichen Welt bedingt.
Aura und Gewöhnlichkeit
Ritter gibt zu, mit dem Rahmen gespielt zu haben, aus dem das Subjekt auf ihren Bildern der 80er Jahre ständig herausfällt, um ihre eigene Vermessenheit anzuzeigen, ihre ontologische Übertreibung, was sollte es anderes sein. Während der 90er Jahre hat ihre Malerei eine gewissermaßen vereinfachte und monumentale Dimension erreicht. Das Gesicht (von gelegentlich androgyner Prägung) zeigt sich ganz; es tritt in Erscheinung mit der Weigerung, Ausdruck zu zeigen oder irgendein Gefühl zu verraten. Wenn man hier von Ikonen spricht, darf man nicht vergessen, daß diese ohne Religion sind und die Modelle dazu von der Straße kommen, sie stammen aus dem gewöhnlichen Leben. Sollte es also eine "Aura" geben, wohnt diese mitten in der Banalität. Das ist die erstaunliche ästhetische Lektion, die dieses Werk zu erteilen scheint: Hier birgt das Gewöhnliche möglicherweise ein gleichsam mystisches Fasziniertsein von der radikalen Fremdheit derer, die zufällig vorübertreiben. Die übermäßige Sichtbarkeit der gemalten Figuren faßt uns ins Auge: Um diese geht es in Ritters Werken, mit ihr stellen sie eine notwendige Provokation für das Denkvermögen dar. In seinem bekannten Text zur technischen Reproduzierbarkeit meint Benjamin, daß das fotografische Portrait der letzte Ort des Widerstands der Aura sei im Zentrum einer entsakralisierten Moderne. "In der Photographie beginnt der Ausstellungswert den Kultwert auf der ganzen Linie zurückzudrängen. Dieser weicht aber nicht widerstandslos. Er bezieht eine letzte Verschanzung, und die ist das Menschenantlitz. Keineswegs zufällig steht das Portrait im Mittelpunkt der frühen Photographie. Im Kult der Erinnerung an die fernen oder die abgestorbenen Lieben hat der Kultwert des Bildes die letzte Zuflucht. Im flüchtigen Ausdruck eines Menschen-gesichts wirkt aus den frühen Photographien die Aura zum letzten Mal. Das ist es, was deren schwermutvolle und mit nichts zu vergleichende Schönheit ausmacht. Wo aber der Mensch aus der Photographie sich zurückzieht, da tritt erstmals der Ausstellungswert dem Kultwert überlegen entgegen." Das, was Benjamin von der Fofografie schreibt, gilt hier vollauf von der Malerei. Die Stärke Ritters ist eben die, im Zentrum dieser Spannung zwischen Kult und Welt zu arbeiten, die Alltäglichkeit anonymer Gesichter herauszustellen, wobei sie den Durchschnitts-menschen erhebt auf den leergeräumten Altar. Dieses Werk, es wäre hohe Zeit es zu befragen und vor allem damit anzufangen, es zu
betrachten, erfüllt sich in einer stetigen Dialektik zwischen Zeigen und Verweigern, Gegenwart und Abwesenheit, oder, um es in Bildkategorien auszudrücken, Realismus und Abstraktion.
1) |
Im Rückgriff auf ein von Jean-François Lyotard geprägtes Konzept schlug Gilles Deleuze in seinem Buch über Francis Bacon Logik der Sensation vor, den Gebrauch des Ausdrucks "figural"
zu benutzen, um die Möglichkeit einer nicht erzählenden Darstellung zu bezeichnen. |
2) | Susanne Ritter (geb. 1945) malt auf Leinwand in Eitempera und Acryl. |
3) | Susanne Ritter "Bildnisse", Bollmann Verlag 1993 (Klappentext). |
4) | Walter Benjamin, "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reprodu-zierbarkeit", in Sur l'art et la photographie, übersetzt von Christophe Jouanlanne, Paris, coll. "Arts et esthétique", Carré, 1997, S. 34-35. |
Olivier Schefer, Susanne Ritter: "Icones de la Vie Ordinaire" in "Revue des deux mondes", Paris, Mai 2004
Olivier Schefer ist Privatdozent an der Sorbonne, wo er Ästhetik lehrt. Er hat Das allgemeine Brouillon (1798-1799) und verschiedene Handschriften von Novalis übersetzt und kommentiert. Er ist Verfasser mehrerer Essays, die der romantischen Ästhetik gewidmet sind, unter anderem : Résonances du romantisme (Brüssel, La lettre volée Verlag, 2005), Poésie de l'infini (Brüssel, La Lettre volée, 2001). Er ist Autor
Im Katalog der Ausstellung Traces du sacré (Spuren des Heiligen) die im Mai 2008 im Centre Pompidou eröffnet (später im Haus der Kunst München).
Olivier Schefer
Und doch, was ich da sehe, auf diesen Zügen, in diesen Augen, ist streng genommen unsichtbar (der Ausdruck, der Blick sind keine Gegenstände).
Was ist da zu sagen? Dass die sichtbare Wirklichkeit des anderen, unmittelbar und positiv, ganz genau die seines Wesens ist.
Olivier Schefer
Das Thema der Malerin Susanne Ritter ist der Mensch. Ihre großformatigen Bilder beruhen auf zufälligen Begegnungen, wie sie sich auch für den Besucher täglich ergeben, bewußt oder unbewußt. Wir stutzen, wenn ein anderer unsere Aufmerksamkeit weckt, weichen aus oder erleben das Gegenteil: Anziehung.
Irmgard Haccius
Ich bin von jeher einer Magie des Gegenstandes verfallen. Unter allen Gegenständen faszinieren mich Haut, Hülle, Kleid des Menschen am meisten, ihre Magie ist ihre Fähigkeit, über das Individuum Auskunft zu geben und doch wieder nicht: nämlich alles zu verbergen.
Susanne Ritter
Bei Susanne Ritter jedoch sind ihre provozierten Annäherungen Anstoß für Visionen und diese die Anlässe ihrer Malerei. Daher erscheinen uns die Bildnisse ungewohnt, noch dazu in einer Zeit, in der wir uns umgeben sehen von durch Mode, Werbung und Fernsehen zum Klischee erstarrten Gesichtern.
Irmgard Haccius
Man kann diesen Bildnissen nicht begegnen wie man etwa den Menschen selbst entgegentreten würde. Das übergroße, künstliche, vor allem gemalte Bild des Gegenübers führt in den Bereich der Imagination.
Seine Magie beruht auf der beunruhigenden Erkenntnis, dass das Wesen des Anderen allein in seiner alltäglichen Erscheinung auftritt.
Susanne Ritter
Wenn man hier von Ikonen" spricht, darf man nicht vergessen, dass diese ohne Religion sind und die Modelle dazu von der Straße kommen, sie stammen aus dem gewöhnlichen Leben. Sollte es also eine "Aura" geben, wohnt diese mitten in der Banalität. Das ist die erstaunliche ästhetische Lektion, die dieses Werk zu erteilen scheint: das Gewöhnliche birgt möglicherweise ein gleichsam mystisches Fasziniertsein für die radikale Fremdheit des nicht Adaptierten."
Olivier Schefer
Die Strenge der Pose" und die monumentale Ansicht dieser Gewänder, gemalt von Rand zu Rand, so dass die Fläche ganz davon ausgefüllt ist, erstaunen gleichzeitig durch ihre peinliche, quasi hyperrealistische Genauigkeit. Dieser Hyperrealismus der Kleidung erfüllt hier eine besondere Aufgabe: Die Anwesenheit des Anderen zu unterstreichen, während er offenkundig abwesend ist."
Olivier Schefer
Denn diese gewöhnlichen Kleider, häufig von außerordentlicher malerischer Schönheit, bilden die sichtbare Vorderseite des Subjekts, mehr oder weniger seine unmittelbare Haut.
Olivier Schefer
Nichts spricht dafür, dass die Malerin die Darstellung des Gegenstands als Gegenstand primär interessiert hätte. Alles spricht dafür, dass sie sich auf einen Gegenstand konzentriert hat, der es ihr zugleich erlaubt und abverlangt, die an ihm ablesbare sinnliche Präsenz seiner Anschaulichkeit zum Anlass zu nehmen, die sinnliche Präsenz der höchst delikaten Farbhaut eines artifiziellen Gebildes herzustellen, das nur scheinbar als die sinnliche Präsenz der Farbhaut der Erscheinungswelt sich uns präsentiert.
Ulrich Oevermann
Das unvertraute Gesicht des Gegenübers gleicht zunächst einer terra incognita, die zunächst einmal, sozusagen geografisch" und "topologisch", erschlossen werden muss. Erst aus dieser "kartografischen" Orientierung der Gesichtspartien konstituiert sich die Wahrnehmung einer inneren und äusseren Seinsverfassung."
Claude W. Sui
Man entwickelt einen neuen Blick für Schönheit. Ganz und gar schön ist niemand und nichts. Aber Aspekte.
Susanne Ritter
Diese Bilder sind weder ästhetisch" noch moralisierend, nicht intellektuell angekränkelt, sondern kräftig, "plastisch", witzig, widersprüchlich, farbig - eine Ausnahmeerscheinung in der heutigen Kunstlandschaft, also ein Lichtblick."
Dieter Asmus
Obschon man ihre Namen kennt, bleiben die Bildnisse anonym - auf der anderen Seite wirken sie trotz ihrer Anonymität wie berühmte Würdenträger.
Reinhard Steiner
Im Gegensatz zum Polizeifoto wollen Susanne Ritters Bilder nicht nur keinen natürlichen Ausdruck einfangen, sie wollen - so scheint es - überhaupt keinen.
Reinhard Steiner
Das Aufregende an den Bildern der Susanne Ritter ist ihre Unaufgeregtheit.
Bernd Krimmel
Was vordergründig als Bruchstück erscheint, ist im Bildzusammenhang integral und vollständig. Aber es richtet zugleich an den Betrachter die stille Aufforderung, den Bedeutungsvorschlägen zu folgen, selbst einen Teil hinzuzudenken, in seiner Phantasie das scheinbar Fragmentarische zu komplettieren, um - wie Novalis es von den Lesern forderte - ein erweiterter Autor der Bilder zu werden.
Bernd Krimmel
Die kontemplativ gewonnenen Wirklichkeitskorrelate finden Eingang in die Malerei und evozieren in einer grossen Stille die Präsenz von Menschen. Dabei verharren die ins Bild gerufenen Gestalten mit beunruhigender Ruhe - distanziert, abwartend, rätselhaft - in einem metaphysischen Still-Leben.
Bernd Krimmel
Wenn es beim Malen nicht um den Menschen geht, fällt mir nichts ein.
Susanne Ritter
Der künstlerische Ausdruck der Susanne Ritter ist ohne satirisch-polemischen Zungenschlag und trifft, an zeitgenössischen Figuren festgemacht, etwas allgemeiner Menschliches: den habituellen Kontrast von Naturgegebenheit und Hinfälligkeit einerseits und Positur und Aufputz andererseits. Die Bilder von Susanne Ritter sind weniger realistische als surreale Gleichnisse der grundsätzlich widersprüchlichen Verfassung des Menschen und seiner Kunst.
Klaus Jürgen-Fischer
Zur Apathie oder demonstrativen Munterkeit des Ausdrucks kontrastieren eigentümlich Ohr- oder Halsschmuck, lackierte Fingernägel, Präziosen und Pailletten, Metallbeschläge auf Köper oder Stickwerk auf Organza.
Klaus Jürgen-Fischer
So ist denn ganz paradox diese Malerei (.....) eine zugleich konkrete und gegenständliche, bei der allerdings das Gegenständliche sich zunächst als nicht mehr erweist, als den notwendigen präzisen Absprungspunkt ins Reich der eigen-logischen, rein sinnlichen Konfigurationen zu gewährleisten.
Ulrich Oevermann
2017 | Kunstprojekt depot.K e.V., Freiburg (mit Hans-Rolf Ritter) |
2016 | Kunstverein Ingelheim |
2014 | Berlin-Neukölln - Galerie im Körnerpark |
2013 | Kulturzentrum Weserrenaissance Schloss Bevern |
2011 | Kunstverein Eisenturm, Mainz |
Galerie Mainer Kunst!, Mainz | |
Kunstverein Bad Salzdetfurth | |
Kunstprojekt depot.K e.V., Freiburg (mit Mechthild Ehmann) | |
2010 | Cabinet d'Avocat Rialland, Paris |
2008 | bauverein AG Darmstadt, Kranichstein (mit Thomas Burhenne) |
Apex Kunstverein pro art e.V., Göttingen | |
2007 | Künstlerhaus Metternich, Koblenz |
2006 | Kunstverein Bad Kreuznach |
2004 | Karmeliterkloster Frankfurt a. M. |
2002 | Bellevuesaal, Wiesbaden (Einzelausstellung mit Ulrike Rosenbach) |
2001 | Galerie Apex Göttingen |
Galerie Schloß Neersen, Villich | |
Schloß Waldthausen, Mainz-Budenheim | |
2000 | Galerie Wosimsky, Gießen |
Herrenhof, Mußbach | |
Amt für multikulturelle Angelegenheiten, Frankfurt a. M. | |
1999 | 24 Köpfe, Kunstverein Bad Salzdetfurth |
Galerie 511, Butzbach | |
1998 | Bautzener Kunstverein, Bautzen |
1997 | Kommunikationsfabrik, Frankfurt a. M. |
1996 | Galerie Schloß Neuhaus (heute Neuhauser Kunstmühle), Salzburg |
Städtische Galerie, Frankenthal | |
1995 | Kunsthalle Gießen, Gießen |
Galerie Wosimsky, Gießen | |
Centre de la Paix, Verdun | |
Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken | |
Alte Villa, Bad Wildungen | |
Galerie Rutzmoser, München | |
1994 | Galerie Bernanos-Crous, Paris |
1993 | Musée Adzak, Paris |
Galerie Apex Göttingen | |
Städtische Galerie im Buntentor, Bremen | |
Landesmuseum Mainz, Mainz | |
1989 | Galerie Stolànovà, Wiesbaden |
1988 | Galerie Gering-Kulenkampff, Frankfurt a.M. |
1987 | Städtische Galerie Schloß Oberhausen, Oberhausen |
Albrecht-Dürer-Gesellschaft, Nürnberg | |
1986 | Galerie Gering-Kulenkampf, Frankfurt a.M. |
1985 | Galerie Niepel, Düsseldorf |
1982 | Galerie Dornhöfer, Mainz |
1981 | Galerie Niepel, Düsseldorf |
1978 | Galerie Walramstraße, Wiesbaden |
2012 | Pfälzische Sezession, Kunstverein Germersheim |
2010 | 65 Jahre Pfälzische Sezession |
2009 | Künstlerhaus Metternich Koblenz |
2007 | Pfälzische Sezession, Pfalzgalerie Kaiserslautern |
34. Jahresausstellung der Darmstädter Sezession, Mathildenhöhe Darmstadt | |
Große Kunstausstellung , Haus der Kunst München | |
Zwischenzeiten   in between, Galerie Apex Göttingen | |
2006 | Lend me your ear, Internationale Gruppenausstellung KV Bad Salzdetfurth, mit dem kraftvoll-offensiven Bild "Janina" aus dem Jahr 2005 |
Through the looking glass, Haus der Kunst, München | |
Kunst in den Gewölben, Kunstverein Germersheim | |
2005 | Pfälzische Sezession, Speyer |
33. Jahresausstellung der Darmstädter Sezession, Mathildenhöhe Darmstadt, mit dem Bild "Kerstin, weinend" | |
form-farbe 2005, Künstlerhaus Metternich, Koblenz | |
2004 | bocca della verità (Kunstaspekte), Kunstverein Bad Salzdetfurth, mit dem Bild "Agathe Mayer" |
Menschen-Ansichten, Englische Kirche Bad Homburg v.d.H. | |
form+farbe 2004, Künstlerhaus Metternich, Koblenz | |
2003 | Pfälzische Sezession, Jockgrim |
32. Jahresausstellung der Darmstädter Sezession, mit dem Bild "Susanne Fritz" | |
Künstler am Beginn des 21. Jahrhunderts   Malerei, Künstlerhaus Metternich, Koblenz | |
form+farbe 2003, Künstlerhaus Metternich, Koblenz | |
2002 | Bellevuesaal, Wiesbaden (Einzelausstellung mit Ulrike Rosenbach) |
Pfälzische Sezession, Koblenz | |
Kunstverein Bautzen | |
Benefitz-Versteigerung Galerie Apex Göttingen | |
2001 | 31. Jahresausstellung der Darmstädter Sezession |
2000 | Arche, Kunstverein Bad Salzdetfurth |
Fußballkunst, Kunstpreis der Sport-Toto-GmbH Rheinland-Pfalz | |
Pfälzische Sezession, Jockgrim | |
Frauenbilder, Städtische Galerie Wollhalle Güstrow | |
1999 | pro figura   Selbstbildnis, Kunstverein Bautzen, sowie Homepage und Galerie Budissin |
30. Jahresausstellung der Darmstädter Sezession | |
Kunstauktion Neuer Sächsischer Kunstverein, Pulsnitz | |
1998 | Europa, besteige den Stier!, Kunstverein Bad Salzdetfurth, mit dem Bild einer Frau vor grünem Grund. |
>Pfälzische Sezession, Mußbach | |
Realismus-Galerie Fuldathal | |
1997 | Concours de Portrait, Académie des Beaux Arts, Paris |
Ankäufe des Landes Rheinland-Pfalz, Schloß Balmoral, Bad Ems | |
Realismus der Gegenwart, Realismus-Galerie, Fuldatal | |
Kunstpreis der Stadt Bautzen | |
1996 | Zweite Realismus-Triennale, Berlin |
Nationale der Zeichnung, Augsburg | |
Perron-Kunstpreis der Stadt Frankenthal | |
1993 | Erste Realismus-Triennale, Berlin |
1992 | Salon Adzak, Musée Adzak, Paris |
1991 | Deutscher Künstlerbund, Darmstadt |
1990 | Deutscher Künstlerbund, Berlin |
1988 | Autorengalerie 1 , München |
Deutscher Künstlerbund, Stuttgart | |
1987 | Autorengalerie 1 , München |
Deutscher Künstlerbund, Bremen | |
1981 | Aspekte heutiger Malerei , GaIerie Kröner, Oberrimsingen |
1979 | forum junger kunst, Stuttgart |
Deutscher Künstlerbund, Stuttgart | |
1978 | Darmstädter Sezession |
1945 | geboren in Düsseldorf |
1966-70 | Hochschulinstitut für Kunst- und Werkerziehung Mainz |
Studium der Malerei bei Prof. Klaus-Jürgen Fischer, Staatsexamen | |
1989 | Studienaufenthalt bei Prof. Werner Tübke in Leipzig |
1992 | Studienaufenthalt in Paris |
Thema: Bildnis Techniken: Eitempera /Acryl auf Leinwand, Zeichnung | |
Mitglied in: | |
1991 | Deutscher Künstlerbund |
1998 | Darmstädter Sezession |
2001 | Pfälzische Sezession |
Preise, Auszeichnungen: | |
1977 | Förderpreis der Stadt Mainz |
1984 | Kunstpreis für Malerei des Kultusministeriums Rheinland-Pfalz |
1996 | Perron-Kunstpreis der Stadt Frankenthal |
1997 | Förderpreis der Stadt Bautzen |